Die ideologisch geprägte Rolle der Familie in der DDR
Ehe und Familie sowie die Erziehung von Kindern waren in der DDR keine rein privaten Angelegenheiten. Als kleinste Zelle der Gesellschaft war in der Familie vielmehr darauf zu achten, dass die sozialistischen Vorstellungen und staatlichen Interessen auch im Alltag Berücksichtigung finden. Der Staat stellte dementsprechend auch an den elterlichen Umgang mit Kindern konkrete Anforderungen.
Bereits in den Grundsätzen des Familiengesetzbuches der DDR (FGB) vom 20. Dezember 1965 wurde festgehalten, dass Kinder zu „gesunden und lebensfrohen, tüchtigen und allseits gebildeten Menschen, zu aktiven Erbauern des Sozialismus“ (siehe § 3 Abs. 1 FGB), mithin zu staatstreuen Bürgern, zu erziehen seien. Die Aufgabe sollte „in vertrauensvollem Zusammenwirken mit staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen“ wahrgenommen werden.
Unmittelbar mit dem Erziehungsrecht der Eltern verknüpft war danach das „sozialistische Erziehungsziel“, das in § 42 FGB geregelt war.
§ 42 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 FGB definierten, in welcher Art und Weise die Eltern ihre Aufgaben aus dem Erziehungsziel im Sinne des FGB gerecht werden sollten. Sie gaben „prinzipielle Hinweise zur Gestaltung des Erziehungsprozesses“ (vgl. Kommentar zum FGB, 3. Auflage 1970, zu § 42, S. 199 sowie Kommentar zum FGB, 4. Auflage 1973, zu § 42, S. 179).
Sowohl die den Eltern im Rahmen ihres Erziehungsauftrages/Erziehungszieles obliegenden Rechte als auch die ihnen obliegenden Pflichten (siehe hierzu auch § 43 FGB) hatten danach eine politisch ideologische Prägung.
In der inhaltlichen Festlegung von Erziehungszielen und der stark ideologisch geprägten Erziehungsausrichtung liegt ein wesentlicher Unterschied zum heute geltenden bundesrepublikanischen Recht. Denn sowohl im Grundgesetz als auch im Sozialgesetzbuch (SGB) VIII ist die „Wertneutralität des Staates“ verankert. Die Grundrichtung der Erziehung wird demzufolge den Eltern überlassen.
Die ideologisch geprägte Erziehungsausrichtung in der DDR eröffnete für den Staat demgegenüber weitgehende Eingriffsmöglichkeiten in Elternrechte, und zwar auch in Fällen, in denen eine Vernachlässigung ihrer Kinder oder Versäumnisse im Bereich elementarer Elternpflichten, zu denen die Sicherstellung des körperlichen, geistigen und seelischen Wohls des Kindes gehören, nicht feststellbar waren. Als Rechtfertigung für staatliche Eingriffe konnte nämlich auch ein - aus Sicht des Staates bzw. seiner maßgeblichen Organe/Entscheidungsträger - vorliegendes Fehlverhalten der Eltern dienen. Von einem entsprechenden Fehlverhalten wurde häufig insbesondere in Fällen ausgegangen, in denen sich die Betroffenen unangepasst und/oder nicht „politisch korrekt“, d. h. nicht in Übereinstimmung mit der geltenden Staatsdoktrin, verhielten und infolgedessen die von der DDR vorgegebenen Erziehungsziele nicht zu erreichen waren.
Die durch staatliche Stellen ergriffenen Maßnahmen und Eingriffe in elterliche Rechte dienten in Fällen dieser Art nicht primär dem Kindeswohl, sondern stellten Sanktionen für elterliches Verhalten dar. Sie waren daher in der Regel ausschließlich oder überwiegend politisch motiviert.
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