Instrumentalisierung der Justiz in der DDR
Im Unterschied zur Bundesrepublik Deutschland, die sich im Grundgesetz (Art. 20, 28 Abs.1 Satz 1 GG) zum Rechtsstaatsprinzip bekennt, wurden das Rechtssystem und der Rechtsalltag in der DDR von den marxistisch-leninistischen Ideen geprägt (siehe Dieter Gräf,.in: „Im Namen der SED – Rückblick auf Rechtssystem und Rechtsalltag in der DDR“, S. 9)
Der Justiz kam nach dem Staatsverständnis der DDR in erster Linie eine Gestaltungsfunktion zu, und zwar im Sinne der Entwicklung einer sozialistischen Gesellschaft.
Die Rechtspflege diente nach Art. 90 der Verfassungen der DDR von 1968 und 1974 der „Durchführung der sozialistischen Gesetzlichkeit, dem Schutz der Entwicklung der DDR und ihrer Staats- und Gesellschaftsordnung“.
Elementare Prinzipien eines Rechtsstaates, wie beispielsweise der im Grundgesetz der Bundesrepublik in Art. 20 GG verankerte Grundsatz der Gewaltenteilung wurde in der DDR von der dort führenden Sozialistischen Einheitspartei Deutschland (SED), die sowohl in der Gesellschaft, als auch im Staat und in der Rechtspolitik die uneingeschränkte Herrschaftsrolle für sich in Anspruch nahm, ausdrücklich abgelehnt (siehe Dieter Gräf, a.a.0., S. 11).
Andere, den Wesenskern eines Rechtsstaats ebenfalls kennzeichnende Prinzipien (u. a. die Bindung des Parlaments an die verfassungsmäßige Ordnung der staatlichen Verwaltung, die Bindung der Justiz an die Gesetze und das Recht, die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit sowie die Garantie umfassenden Rechtsschutzes) existierten zwar auf dem Papier, fanden jedoch im Rechtsalltag häufig keine oder kaum Berücksichtigung.
So waren beispielsweise Richterinnen und Richter in der DDR zwar nach dem Wortlaut der entsprechenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen unabhängig (siehe Art. 127 der Verfassung der DDR von 1949 bzw. Art. 96 der Verfassungen der DDR von 1968 und 1974). Tatsächlich fehlte es ihnen jedoch häufig sowohl an persönlicher als auch an sachlicher Unabhängigkeit (vgl. hierzu Dieter Gräf, a.a.0., S. 14 sowie auch die Ausführungen von Georg Brunner, in: „Einführung in das Recht der DDR“- JuS - Schriftenreihe, Heft 29, München 1975, S. 72 f.).
Sachliche Unabhängigkeit nach bundesrepublikanischem Verständnis bedeutet, dass Richterinnen und Richter nur dem Gesetz unterworfen sind und weisungsfrei entscheiden (siehe Art. 97 Abs.1 GG).
Eine besondere Bedeutung kam in diesem Zusammenhang auch den Richtlinien des Obersten Gerichts der DDR (OG) zu.
Kernelemente der im Recht der Bundesrepublik ebenfalls garantierten persönlichen Unabhängigkeit von Richterinnen und Richtern sind die Grundsätze der „Unabsetzbarkeit“ und der „Unversetzbarkeit“ (Art. 97 Abs. 2 GG.). Das bedeutet, dass Richterinnen und Richter nur unter ganz engen Voraussetzungen entlassen werden können. Auch eine dauernde oder zeitweise Amtsenthebung sowie die Versetzung an eine andere Stelle oder in den Ruhestand sind nur unter genau geregelten, engen Voraussetzungen möglich. Vergleichbare Verfassungsgarantien gab es in der DDR nicht.
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